Von Hyänen und Menschen

Day 824, 10:47 Published in Germany Germany by Iseutz

Hallo allerseits,

die Kongreßwahl steht bevor und das große Palavern fängt wieder an. Manch einer kann von Volk und Vaterland nicht genug bekommen, anderen geht es natürlich nur um die Sache und nicht um die Partei, die nächsten solidarisieren sich mit dem kleinen Mann und wieder andere schreiben, was sie immer schreiben. Der Reigen vervollständigt sich langsam aber stetig. Ein jeder Teilnehmer will nur das Beste für eDeutschland und keineswegs für sich selber oder seine Partei punkten - aber dennoch gewählt werden, weil man ja viele gute 'Argumente' anführt und auch fleißig mit der Parteifahne wedelt (vermutlich für den Fall, daß die Argumente nicht reichen).

Sich darüber lustig zu machen soll aber hier nicht weiter Thema sein. Jeder Spieler, der einige Monate dabei ist, wird hierzu eine eigene, für gewöhnlich fatal ähnlich lautende Meinung ausbilden. Vielmehr erdreiste ich mich, einige Zeilen zum Thema 'warum ich nicht kandidiere' zu verlieren.

Auch das ist an sich nichts, was es nicht bereits bei der ein oder anderen Gelegenheit gegeben hätte. Wenn man mit anderen Menschen spielt und mit deren Aktivität - oder dem Zustand im Allgemeinen - nicht zufrieden ist, dann manifestiert sich das auch mal in Artikelform. Allerdings kann ich nicht behaupten sonderlich unzufrieden zu sein, weder die innerdeutsche Lage noch spezifische Personen taugen derzeit für ausgeprägte Jammerstimmung. Und um mich persönlich soll es auch nicht gehen.


Warum dann also die explizite Erwähnung des Nicht-Kandidierens?

Ich halte die alte Garde, also die ganz alte, für die Verantwortlichen bzw. Auslöser einer Reihe von Entscheidungen, die in die aktuelle Situation mündeten. Dies sei nicht als Vorwurf verstehen, denn niemand kann wirklich vorhersehen, welche Entscheidungen welche Früchte tragen. Vieles hängt vom Zufall ab, aber gänzlich irrelevant sind die beteiligten Individuen keineswegs. Sieht man sich nun an, wer derzeit alles kandidiert, muß man sich automatisch fragen, was sich bestimmte Personen dabei eigentlich denken - sofern sie denken.

Im Feld der Kandidaten befinden sich bereits jetzt mindestens16 Spieler, die nach aller Erfahrung mit nahezu hunderprozentiger Sicherheit in den Kongreß einziehen werden (sofern nominiert). Diese Spieler, die sich bereits seit vielen Monaten in eRepublik tummeln und mit mehr oder minder schillernden Erfolgsgeschichten aufwarten können, stehen derzeit knapp 60 (Sechzig!) weitere Kandidatinnen und Kandidaten gegenüber. Dabei gibt es gerade mal zwanzig zu vergebende Kongreßplätze. Sicher, die Parteikassen mögen dadurch klingeln, aber klingeln müßten auch diverse Alarmglocken.

Angesichts dieser Situation - nämlich daß eine unübersehbare Vielzahl neuer Spieler auf die politische Bühne strebt - ist es wohl kaum verkehrt darüber nachzudenken, ob es nicht an der Zeit wäre, sich von bestimmten Personalien zu trennen. Oder besser gesagt, daß diese sich selbsttätig andere Betätigungsfelder suchen, anstatt zum x-ten Mal zu versuchen, ein weiteres Mal aktiv in die (Miß-)Geschicke dieser Nation einzugreifen.

Gerne wird an dieser Stelle angeführt: "Ja, aber die Neuen haben keine Erfahrung". Und mindestens ebenso häufig hört/liest man: "Wir wissen gar nicht, ob wir uns auf sie verlassen können". Vor einigen Wochen gäbe es auch noch pathologisch paranoide Obertöne, wonach ja jeder neue Spieler und jede neue Spielerin der gestaltgewordene Dolchstoß sein könne. Angesichts der letzten Legislaturperioden kann man aber all diese Pseudoargumente leichter Hand entkräften.


Denn wohin uns die Erfahrung der bisherigen Teilnehmer geführt hat, wissen alle, die in irgendeiner Weise ihre Aufmerksamkeit auf das Treiben von Kongreß und Regierung gerichtet haben. Es gehört zu den Konstanten der Kongreßarbeit, daß diese häufig zäh, frustrierend und leider auch ergebnislos verläuft - zumindest wenn überhaupt etwas passiert. Gerne sind auch einige Kongreßmitglieder sauer auf die Regierung oder umgekehrt. Oder auch alle und das dann gleichzeitig. Ebenso konstant präsentieren sich die vor Kompetenz und Sachlichkeit überbordenden Diskussionen, hierbei mit besonderer Vorliebe im Bereich der Steuersetzung. Erfahrung scheint hierbei also überhaupt keine Rolle zu spielen, sieht man mal von der Anlaufgeschwindigkeit und diversen Fragestellungen ab. Die Ergebnisse und Abläufe bewegen sich seit je her im Bereich des Erbarmungswürdigen, egal wie intensiv sämtliche Kandidaten zuvor ihre Version von 'yes, we can' und 'für Volk und Vaterland' in die erepublikanische Öffentlichkeit posaunt haben.

Die Frage der Verläßlichkeit hat nun gerade während dieser Legislaturperiode eine besondere Beachtung gefunden. Immerhin waren sämtliche Kandidaten handverlesen und als ebenso treudeutsch, wie uneingeschränkt geeignet bewertet worden. Dennoch hat das wieder einige nicht daran gehindert, ihre selbstgewählte und schließlich überantwortete Verpflichtung mit Füßen zu treten. Daß die Ausfallquote nicht geringer geworden ist, tatsächlich aufgrund der geringen gesamten Abgeordnetenmenge im Verhältnis noch unangenehmer wirkt, ist ein nicht weiter zu diskutierendes Faktum. Da kann man auch Gründe anführen soviele man möchte, in meinen Augen ist 'Verläßlichkeit' schlicht und ergreifend kein Qualitätsmerkmal. Sie ist schlicht nicht mit einer bestimmten Anzahl von Spielmonaten oder dem Spielerlevel verbunden.

Und die Spionagefrage ist natürlich ein konstantes Problem. Hierzu sei aber gerade aus Sicht eines 'Innenministers' erwähnt, daß plumpe Spionageversuche sehr einfach aufzudecken sind, während 'echte' Spionage aufgrund der investierten Zeit und Energie nie aufgehalten werden kann. Ernsthafte Infiltration über die ach so offensichtliche Erfahrung, Spielzeit, Sprachfähigkeiten und sonstige Merkmale vermeiden zu wollen bzw. zu können, ist eine Illusion.


Und damit fällt auch der letzte wichtige Grund weg, weswegen sich die tapferen alten Spieler mit all ihrer Bekanntheit zur Wahl stellen müßten. Durch ihre Teilnahme verwehren sie vielen anderen, womöglich ambitionierteren und fähigeren, wenngleich nicht ausgereiften Spielern den Zugang zur Politik. Es gibt keine Begründung für dieses Verhalten außer persönlichem Geltungsbedürfnis, dem parteipolitischen Streben nach Einfluß und letztlich stärkerer Kontrolle der Geschehnisse dieser Nation. Diesem Verhalten fallen gerade Neulinge zum Opfer, welche nicht gegen die alles überstrahlende Präsenz der großen Alten ankommen und sich ein weiteres Mal in die undankbare Passivität der kaum informierten und oft auch kaum ernstgenommenen 'Bürgerrolle' zurückgedrängt sehen. Die als tröstende Alternative vielzitierte Parteiarbeit ist nämlich leider ganz und gar kein gleichwertiger Ersatz für authentische Erfahrung innerhalb des Kongresses.

Aber es ist nicht nur ein Dämpfer für die neuen Spieler. Auch der Regierung geht eine wichtige Motivation verloren. Nämlich die Notwendigkeit, ihre eigenen Aktivitäten und sonstiges Spielgeschehen gegenüber einem (noch nicht so erfahrenen, abgebrühten und vorurteilsbelasteten) Kongreß zu vertreten, zu erklären und damit auch selbstreflektiert zu handeln. Statt dessen sind die Übergänge aufgrund der gewachsenen Verbundenheit fließend, was es beiden Seiten doch überaus erleichtert, sich in ihren Rollen einzunisten und von Gegenwind befreit ihren Interessen und selbstgesetzten Aufgaben nachzugehen.


Alles in allem bleibt also festzustellen, daß die Kandidaturen der alten, ja, teilweise schon überalterten Kreise aufgrund des eingefahrenen Denkens ihrer Akteure, sowie der resultierenden Blockadesituation gegenüber Neulingen meines Erachtens in starkem Maße kontraproduktiv für die deutsche Entwicklung ist. Positiven Einfluß auf die Entwicklung eDeutschlands kann man auch nehmen, wenn man nicht immer und immer wieder an die (vermeintlichen) Schaltstellen der Macht drängt. Insbesondere da man nur zu gerne über Babybooms und erfolgreicher Starthilfe parliert, bleibt es (zumindest mir) absolut unverständlich, wie unverhohlen an dieser Stelle Pfründesicherung und Kontrollsucht in den Vordergrund rücken...


Gruß
Iseutz


PS: Ich bin mir über das Sozialverhalten der im Titel erwähnten Tiere im klaren und bediene mich lediglich aus stilistischen Gründen längst widerlegter Vorurteile. 😁