eLife vs. rLife - Geschichte und Geschichtsschreibung

Day 653, 11:44 Published in Germany Germany by Herr Schmidt

Those who cannot remember the past are condemned to repeat it.
George Santayana - The Life of Reason Vol. I, Reason in Common Sense –

Zum runden Jahrestag des Ausbruchs des II Weltkriegs in Europa (nebenbei bemerkt gibt es Stimmen die den zweiten Sino-Japanischen Krieg als beginn dieses globalen Konfliktes sehen) erschien in der Rheinischen Post ein Artikel in englische Sprache mit einen groben Abriss der Geschichte des realen Polen. Man kann den Artikel durchaus als polonofil bezeichnen.
So weit, so gut.
Ich werde dem Verfasser die Absicht unterstellen, der polnischen Spielerschaft die Bereitschaft zum Dialog signalisieren zu wollen. Man beschäftige sich mit der Geschichte eins Volkes/ einer Nation und begegnet Ihr von Gleich zu Gleich, mit Respekt.
Es dauerte fast einen Tag bis sich durchaus angebrachte Kritik in den Reihen der deutschen Spieler regte. Der Grundtenor dieser Kritik war, der Verfasser blende die Schattenseiten der jüngeren Geschichte, im Spezielen der 20er und 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts, bewusst aus, um Polen zu eine “Opfernation“ zu stilisieren. Natürlich könnte ich, als Versuch HuCard in Schutz zu nahmen jetzt behaupten, eine ausführliche Abhandlung über die Geschichte Polens hätte sowohl den Zeit- wie auch u.U. den Wissensrahmen des Verfassers gesprengt. Wie ich aber oben geschrieben habe ist Kritik durchaus angebracht. Was mir an dieser Kritik jedoch nicht gefällt, ist die Form in der Sie vorgebracht wurde.

Diese Aussage führt zum eigentlichen Thema des Artikels, der Geschichte und der Geschichtsschreibung.
Geschichte ist eine recht trockene Wissenschaft. Man nimmt Informationen (am besten aus mehreren Quellen) zu vergangene Ereignisse, prüft Sie, und versucht Sie in einen Kontext zu Einander zu setzen.
Geschichtsschreibung funktioniert ähnlich, man nimmt die o.g. Ereignisse und setzt Diese zu einem Kontext zusammen. Durch ein geschicktes „manipulieren“, z.B. setzen von Schwerpunkten bzw. auslassen von Informationen, der Zusammenhänge kommt in der Geschichtsschreibung ein anderer Kontext als in der Geschichte heraus.
Ich werde anhand von Kommentaren zum o.g. Artikel, versuchen diese „Manipulation“ der Wahrnehmung der realen Geschichte darzustellen.

Herr Galvanie schrieb in seinem ersten Kommentar folgendes:

Oh eine Geschichtsstunde da kann ich Dir noch etwas Nachhilfe geben.
Die Phase zwischen den beiden Weltkriegen solltest du nämlich etwas genauer betrachten. Da griff Polen ALLE seine Nachbarn reihum an. Die Tschecheslowakei (der Konflikt wurde erst 1958! endgültig beigelegt), das deutsche Reich in Schlesien und in den Masuren (militärisch durch deutsche Freikorps abgewehrt) die sowjetisch besetzte Ukraine (die Gegenoffensive der Roten Armee führte dann bis nach Warschau und konnte nur mit massiver Hilfe der Briten und Franzosen gestoppt werden) und Litauen (da besetzte Polen ein gutes Drittel des Landes).

Ansonsten wie schon erwähnt wurde für das Spiel recht uninteressant ausser du hast hier vor die Geschichte "nachzuspielen".


Über den allgemeinen Ton dieser Aussage werde ich kein Wort verlieren, weil es mir einerseits nicht zusteht und andererseits völlig am Thema vorbeigehen würde.
Zum Inhalt, die Aussage impliziert, ohne genauer auf das Thema einzugehen, die II RP hätte als Staat (diese Aussage ist sehr wichtig!) ihre Nachbarn angegriffen

Auf meinen Versuch, zugegeben in einen ähnlichen Ton, dieses Thema zu vertiefen:

@ Galvinie
Wollen wir ein paar Sachen aufrollen über die "bösen" Polen?
Zu der Tschechoslowakei:
Das umstrittene Gebiet (Zaolzie) wurde während des Polnisch-Sowietischen Krieges von der Tschehoslowakei vor den Sowiets und dem Chaos "gesichert".
Das "Deutsche Reich" war die Weimarer Republik. In die Aufstände in den von dir genannte Gebieten hat nicht das polnische Militär eingegriffen (Ausnahme 3. Schlesischer Aufstand). Zu Litauen, besser gesagt zu Wilno, der Hauptstadt Litauens (die zu der Zeit mehrheitlich Polnisch bewohnt war). Siehe es als eine "Sicherung" der polnischen Gebiete durch "Patrioten" (vrg. "DEUTSCHE FREIKORPS" in Schlesien u.Ä.).


Kam umgehende Antwort:

@Schmidt
Das Deutsche Reich hieß damals Deutsches Reich nicht Weimarer Republik. Das ist lediglich ein Begriff der später eingeführt wurde.
Richtig diese polnische "Freiwilligenverbände" hatte genauso wenig mit der polnischen Armee zu tun wie die gegen sie eingesetzten Freikorps mit der Reichswehr. Wurden halt nur bezahlt, ausgerüstet und geführt von der jeweiligen Armee oh es gab keine offizielle Kriegserklärung und offiziell gab es auch keine Kampfhandlungen.
Die polnischen Truppen die in Litauen einmarschierten waren ganz reguläre Truppen unter General Żeligowski und besetzten ein bissel mehr als "nur" die litauische Hauptstadt Wilnus.

Das umstrittene Olsa-Gebiet wurde von der Tschehoslowakei völlig besetzt nachdem der polnische Versuch das tschechoslowakische zu besetzen gescheitert war. Aktion Reaktion.

Geschichte hat viele Facetten und jedes Volk hat seinen Dreck am Stecken ein gibt keine "bösen Polen und keine guten Polen". Ebenso keine "bösen Deutschen und keine guten".

Eine Diskussion die übrigens hier in diesem Spiel völlig sinnfrei ist. Da sollte man sich wohl lieber auf die eVergangenheit beschränken als Geister einer echten Vergangenheit versuchen zu beschwören.


Ich sehe die letzten beiden Absätze dieses Kommentars als eine Art „Friedensangebot“, trotzdem werde ich versuchen einige geschichtliche Ereignisse durch zusätzliche Informationen ins „rechte“ oder besser gesagt, ein „vollständigere“ Licht zu rücken. Bevor ich das tue werde ich noch das Kommentar von Herr Vernichter zitieren:

Wenn wir schon böse sein wollen, so könnte man sicherlich auch die Beteiligung an der Zerschlagung der Tschecoslowokei erwähnen, oder polnische Truppen in Kiew, bei der "von Meer bis zum Meer"- Aktion. Dann natürlich die Behandlung der weissrussischen und ukrainischen "Minderheiten" in Ostpolen wehrend der Zwischenkriegszeit. Polen ist genauso wie der Rest kein Kind von Traurigkeit gewesen. 😉

Auch diese Kritikpunkte sind durchaus angebracht, auch wenn Sie einige zusammenhänge auslassen.

Zu den einzelnen Punkten

1.) Die Weimarer Republik
In diesem Fall gestehe ich meine Wissenslücke offen ein und ehrlich ein. Wie man sieht sind offplay Diskussionen doch zu etwas nützlich.

2.) Der Posener und die Schlesische Aufstände
Tatsächlich hatten die Aufständischen mit der zum Zeitpunkt der Aufstände bereits existierenden polnischen Armee personell und materiell wenig zu tun ( siehe, und ). Sicherlich kann man sagen, Sie wurden ideologisch Unterstützt und beide Aufstände kamen den polnischen Staat nicht Ungelegen, vor allem unter dem Gesichtspunkt der möglichen Territorialgewinne.

3.) Zaolzie
Zu diesen Thema kann man folgendes sagen 1919 marschierte die Tschechoslowakei im umstrittenen Gebiet ein.
1939 nutzte die II RP das Münchner Abkommen um dieses Gebiet zu annektieren ( siehe Hier ).

4.) Wilno
In diesem Fall kann man durchaus den Vergleich zu deutschen Freikorps ziehen. Gen. Lucjan Żeligowski war Offizier der polnischen Armee. Mit Wissen und Billigung des polnischen Oberkommandos täuschte er eine Meuterei vor, diese wurde öffentlich als eine solche von den offiziellen polnischen Stellen so genannt. Mit seinen Truppen in Korpsstärke marschierte er als Renegat in Wilno ein. Auf diesem Gebiet wurde von Ihm die Republik Südlitauen als selbstständiger, jedoch nicht international anerkannter Staat ausgerufen. Dieser Staat bestand 18 Monate und wurde durch Beschlüssen der Parlamente sowohl der Republik Südlitauen wie auch der II RP in die II RP eingegliedert ( siehe, und ).




Einige Leser werden u.U. denken "Was hat das eigentlich mit dem Spiel zu tun?" Zwei (oder drei?) egomane „Klugscheißer“ versuchen sich zu profilieren und sich gegenseitig ins Boxhorn zu jagen. „Diesem Artikel werde ich keine Beachtung schenken!“ o.Ä.
Nach einer Priese “Selbstdarstellung“ werde ich versuchen einen Bogen zu der neuen Welt ziehen.

Auch Hier wird gerne durch Geschichtsschreibung an der Geschichte rumgedokter.
Zum Beispiel wird die Zeit zwischen Februar und Juni dieses Jahres als eine politischer Irrweg bezeichnet.
Über die außenpolitischen Aspekte kann man streiten. Was aber gerne „übersehen“ wird sind folgende Tatsachen.
Zum einen war es der Längster Zeitraum ohne Krieg auf oder Besatzung von eDeutschen Gebieten, die D-Mark war stark, und die Wirtschaft stabil. Zum anderen war der Krieg auf diplomatischem Wege, ohne die Unterstützung der Großmächte (lies: eRumänien und eUSA) nicht zu verhindern und militärisch nicht zu gewinnen.

Man könnte sicherlich, sowohl in der realen, wie auch in der virtuellen Geschichte weitere Beispiele für eine Verfremdung der Geschichte durch die Geschichtsschreibung finden.
Was zu sagen bleibt, ist: auch aus der realen Geschichte (oder Diskussionen über Sie) kann man Lehren für das virtuelle Leben ziehen.

Anmerkung: Da ich „faul“ bin habe ich die allgemeine, englische Wikipedia für Quellenangaben benutz. Einerseits um Zeit zu sparen, andererseits weil ich hoffe, die Verwendung von englischsprachigen Quellen bewahrt mich vor dem Sturm der Entrüstung über meine „Parteinahme“ auf der polnischen Seite. Sollten die Betroffenen der Meinung sein, in diesem Artikel wird Ihnen eine bewußte manipulation von Geschichtlichen Tatsachen vorgeworfen, trifft dies nur in sofern zu wie es auf die allgemeine Problematik der Geschichtsschreibung zutrifft. Ich erweitere gerne durch Diskussionen und Streitgespräche mein (vor Allem geschichttliches) Wisse.